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MANAGEMENT/FINANCIAL - 12.07.2018, 08:19 Uhr

Digitale Transformation – ernst zu nehmen oder Buzzword-Bingo?

Wieder ein Schlagwort - oder besser zwei - wie sie alle paar Jahre durch Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur gejagt werden. Sicherlich können auch Sie sich noch an Web 2.0 erinnern oder kennen das in aller Munde befindliche Industrie 4.0. Doch was sollen diese Begriffe und was sind sie überhaupt wert? Manch einer spricht hier derogativ gar von „Buzzword“ oder „Bullshit-Bingo“.
Nicht nur ist die sogenannte digitale Transformation bereits lange im Gange, sie ist auch eine unbedingt logische und konsequente Entwicklung - dass sie stattfindet, ist im Grunde äußerst stringent.

Evolution statt Revolution
Meines Erachtens ist die digitale Transformation mehr als ein evolutionärer Schritt denn als revolutionäre Neuerung zu verstehen. Als ganz natürliche Fortsetzung des technischen Fortschritts nach der revolutionären Erfindung des ersten Computers durch Konrad Zuse 1936 in Berlin oder der ersten kommerziellen Schritte des Internets durch die für alle zugänglichen Telefonkabel weltweit, stellt der digitale Wandel bzw. die digitale Transformation lediglich das dar, was unweigerlich passieren muss. Sie ist die Konsequenz dessen, dass die Wirtschaft und unser Alltag technischer werden und wir in allen Bereichen zunehmend stärker von Technologien beeinflusst oder sogar bestimmt werden. Letzteres geht auch mit der Besorgnis um die menschliche Autonomie beim Stichwort künstliche Intelligenz, ständige Überwachung oder Kontrolle einher.

Doch so zwingend logisch und auch unausweichlich diese Transformation ist, so sehr revolutioniert sie - jedenfalls gefühlt - unseren Alltag. Aktuell geschieht sie noch in Abhängigkeit davon, wie viel jeder Einzelne von uns für sich persönlich zulässt. Scheinbar unzählige neue Möglichkeiten und Funktionen stehen zur Verfügung, die uns als Erleichterungen des Alltags präsentiert werden. Wenn mir die Software meines Autos über eine spezifische App des Autoherstellers mitteilt, dass die Türen unverschlossen sind, obwohl ich mein parkendes Fahrzeug längst verlassen habe, genügt ein lang anhaltender Druck auf das virtuelle Schlosssymbol auf meinem Smartphone und es ist erledigt. Die Türen werden verschlossen, gesteuert über eine App von meinem Platz im Café aus. Sie hat ihre praktischen und faszinierenden Seiten, diese digitale Transformation, und diese will ich persönlich auch nicht mehr missen.

Als digitale Transformation lässt sich also der zunehmende Einfluss der digitalen und softwarebasierten Technik und der technologischen Strategien bezeichnen, die uns alle in den Bereichen Beruf, Gesellschaft, Konsum oder sogar Kultur und Bildung begegnen. Denken Sie nur an die vielfältigen Änderungen im Bereich Kommunikation oder Konsum, die allein Smartphones mit den vielfältigen Apps mit sich gebracht haben. Dazu gehört das gesamte Thema der Smart Homes mit Kühlschränken, die selbstständig Einkaufslisten erstellen (habe ich das erste Mal 1998 in Stuttgart als Werkstudent von meinem Chef mit leuchtenden Augen berichtet bekommen – das Unternehmen wurde dann leider auch ein Opfer der New Economy), oder die Tatsache, dass in Gesellschaft und Kultur über neue Medien politische Ziele propagiert und verfolgt werden und neue Kunstformen oder Künstlerpersönlichkeiten entstehen, bis hin zu neuen Berufsbildern wie dem Youtube-Star.

Was bietet digitale Transformation?
Die digitale Transformation ist also ein ganz konkreter Veränderungsprozess, der durch digitale Technologien vorangetrieben wird. Treiber dabei sind kreative Softwareanwendungen, Apps, vernetzte Infrastrukturen und natürlich die entsprechende Hardware. Schon allein der tägliche Arbeitsprozess in einem Team kann sich wesentlich verändern, wenn nun auch Videokonferenztools genutzt werden, um schnöde Telefonkonferenzen lebendiger und effizienter zu machen. Bildschirmübertragungen führen allen Teilnehmern auch die nonverbalen menschlichen Signale vor Augen, die sie benötigen, um zu verstehen, was der andere in der Leitung versucht zu vermitteln. Gleichzeitig haben alle auch die Reaktion der übrigen Teilnehmer tatsächlich „im Blick“. Komplexe Themen oder Abläufe können wesentlich besser über solche digitalen Tools vermittelt und diskutiert werden, weil alle Beteiligten über die Visualisierung sehen, was via Bildschirm erklärt wird. Zudem sind alle auf dem gleichen Informationsstand. Verständnisfragen können effizient und unmittelbar geklärt werden.

Ganze Produktionsabläufe im Bereich der Industrie werden optimiert, schlanker und schneller gemacht, die Qualität wird gesteigert, da aufgrund besserer Hardwarekomponenten beispielsweise Messstationen und Sensoren direkt Meldung geben und der Maschinenleiter unverzüglich und mit allen notwendigen Informationen ausgestattet reagieren kann – von seinem Terminal oder auch Smartphone aus, unmittelbar und auch wieder mithilfe von Software.

Der Mensch im Mittelpunkt
Was bei aller Euphorie rund um das Buzzword der „digitalen Transformation“ nicht vergessen werden darf: Entscheidend ist und bleibt der Mensch innerhalb dieses Veränderungsprozesses. Hat sich ein Unternehmen vorgenommen, den digitalen Wandel mitzugehen, muss das auch mit einem Kulturwandel im Unternehmen einhergehen. Prozesse werden verändert, an denen Menschen beteiligt sind, der Rhythmus wird angepasst, Kompetenzen, neue Aufgaben und Methoden werden möglicherweise erweitert und müssen geschult werden. Die vielfältigen Möglichkeiten der Transformation zu erkennen, Sinnvolles von Sinnlosem zu unterscheiden, wird dabei eine zusätzliche und entscheidende Hürde sein. Erst wenn die Potenziale im Einzelnen sorgfältig abgewogen werden, kann digitale Transformation im Unternehmen gelingen und letztlich echte Erfolge erzielen. Das bloße Einsetzen der neuen Möglichkeiten ohne konkrete Ziele wird häufig ohne Auswirkung versanden, schlimmstenfalls sogar eher schaden. Allen Mitarbeitern beispielsweise ein Smartphone zu geben, mag diese zunächst erreichbar machen, doch vielleicht auch krank, wenn der Kulturwandel noch nicht erfolgt ist, wonach auch bei technischer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit die Arbeitszeit eines Menschen ihre Grenzen haben muss. Das Home Office mag zwar schick und schön per Videokonferenz erreichbar sein und Flexibilität suggerieren, aber nur, wenn auch hier gilt: Feierabend ist Feierabend und Urlaub bleibt Urlaub – ganz „Old School“, so wie eh und je. Das ist nicht zuletzt auch eine neue Anforderung an die Mitarbeiter selbst. Erhöhte Selbstmanagement-Fähigkeiten sind gefragt, denn oft treiben nicht allein die Chefs, sondern auch Arbeitnehmer selbst durch falsch verstandenen Ehrgeiz oder Konkurrenzdenken zu Kollegen sich in den Burnout (und wieder ein Buzzword!).

Ist die Führungsetage bereit für digitale Transformation?
Und wie sieht es mit der Führung aus? Ist sie für einen digitalen Wandel bereit? Häufig sitzt in den oberen Etagen noch die Generation, die nicht versteht, was eine Story auf Instagram ist oder bedeutet und dass es dort Prominente gibt, die zwar noch nie im sogenannten linearen Fernsehen zu sehen waren, aber in bestimmten Zielgruppen weit mehr als vier Millionen Follower vorweisen können. Diese „Influenzer“ sind wichtiger als die Promis im herkömmlichen Sinn. Und wenn dieser Insta-Star mal kurz den richtigen Schuh in das Smartphone hält, kann es passieren, dass der E-Shop brummt und die Systemadministration schwitzt. Nicht von ungefähr hat der sogenannte „Youtube-Star“ es als ernsthafter Berufswunsch unter die Top-Liste der Jugendlichen geschafft.

Digitale Transformation – eine Herausforderung wie jede andere
Die digitale Transformation ist also am Ende nichts weiter als eine neue Herausforderung, ein neues Spielfeld mit neuen Regeln und neuen Möglichkeiten. Sich dieser zu öffnen und sich mit den Technologien zu beschäftigen, wird für die allermeisten Unternehmen zwingend erforderlich sein, sei es mittelbar oder unmittelbar – durch Eigeninitiative autodidaktisch oder auch mithilfe des f:mp. und einer seiner vielen Seminarangebote zu diesem Thema.

Es kann natürlich anstrengend sein, sich mit Neuem auseinanderzusetzen, bisheriges Denken zu verändern, aber es ist häufig auch amüsant und spannend, Neues auszuprobieren oder das auch mal abzulehnen. Eines scheint in jedem Fall sicher: Das Internet ist keine Modeerscheinung, sondern wird sich wohl noch etwas länger halten ;-). Die digitale Transformation ist dabei die zwingende und logische Begleiterscheinung.
Greifen Sie zu und gehen Sie mit, posten Sie eine Story oder einen Tweet (Hashtag folgt), sie bekommen einen Kommentar von mir zurück, versprochen!
#banaleDigitaleTransformation #newsletterfmp
von Harry Steiert
Vorstandsmitglied des f:mp.


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